Drei Zeugen von Polizei und Staatsanwalt haben bei der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses bestätigt, dass es beim Hanauer Notruf über 18 Jahre lang ein strukturelles Problem der personellen Unterbesetzung und der technischen Unterausstattung gab. Die Verantwortlichen wussten davon und haben versucht, dieses Problem nach dem 19. Februar 2020 zu vertuschen. Ein solches Organisationsversagen muss nun endlich Konsequenzen haben.
Marion
„Three Doors“ – Ausstellung von Forensic Architecture mit einer neuen Video-Rekonstruktion zum Täterhaus von Hanau
Pressemitteilung der Initiative 19. Februar Hanau am 3. Juni 2022
Gestern, am 2. Juni 2022, ist im Frankfurter Kunstverein die Ausstellung „Three Doors“ von der unabhängigen Ermittlungsagentur Forensic Architecture eröffnet worden. Zwei der „Drei Türen“ sind den Geschehnissen in Hanau am 19. und 20. Februar 2020 gewidmet. Einerseits dem verschlossenen Notausgang am zweiten Tatort. Zum zweiten der Eingangstür des Täterhauses, die nicht bzw. viel zu spät von der Polizei überwacht wurde.
In einer 30-minütigen Video-Rekonstruktion hat Forensic Architecture die Abläufe rund um das Täterhaus detailliert nachgezeichnet. Dieses Video beinhaltet nicht nur weitere Hinweise darauf, dass der Vater des Täters bezüglich seiner Rolle in der Tatnacht die Unwahrheit gesagt hat. Es zeigt zudem, dass die eingesetzten Polizeieinheiten – zunächst Zivilstreifen und danach das SEK – das vermutliche Täterhaus über mindestens zwei Stunden nicht überwacht und nicht umstellt und entsprechend erst später gestürmt hat. Der Täter hätte also problemlos aus dem Haus entfliehen und weiter morden können.
Wesentliches Element der neuen Untersuchung von Forenisc Architecture ist die Auswertung der Kamera-Aufnahmen eines Polizeihubschraubers. Dieser kreist bereits 30 Minuten nach den Morden für zwei Stunden über Hanau und dem Stadtteil Kesselstadt, ohne von den Polizeikräften am Boden über die Adresse des vermutlichen Täters informiert zu werden. Der Helikopter bleibt insofern im Blindflug, die beiden Piloten bringen per Funk ihre Frustration darüber zum Ausdruck und können ebenfalls nicht zur nötigen Überwachung des Täterhauses beitragen.
Sind all diese unglaublichen Vorgänge am Täterhaus „nur“ ein weiteres Element in der Kette des polizeiliches Versagens in der Tatnacht? Unweigerlich drängen sich neue Fragen auf, wenn mit einbezogen wird, dass sich in der Tatnacht 13 SEK-Polizisten in Hanau im Einsatz befanden, die in rechtsextremen Chat-Gruppen beteiligt waren.
Die Ausstellung, die für über drei Monate in Frankfurt zu sehen sein wird, präsentiert in einem Raum die gesamten, umfassenden Untersuchungen und Ermittlungen von Forensic Architecture zur Tatnacht von Hanau. In einem zweiten Raum lassen sich neue Audio-Reportagen eines Journalisten-Teams zu den „Lücken von Hanau“ nachhören. Und in einem dritten Raum wird entlang einer umfassenden Zeitleiste der zweijährige Kampf der Betroffenen und deren Unterstützer:innen für Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen nachgezeichnet. Hier sprechen die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden in Videoaufzeichnungen nach, was sie bereits vor einigen Monaten im Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag vorgetragen haben.
Wir empfehlen allen an der Aufklärung von Hanau Interessierten dringend, diese Ausstellung zu besuchen und sich dafür Zeit zu nehmen. Denn neben der Etage zu „Hanau“ präsentiert Forensic Architecture als „dritte Tür“ erstmals eine Untersuchung zum Tod von Oury Jalloh 2005 im Polizeiarrest in Dessau sowie weitere ihrer Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen und Morden, in denen staatliche Stellen verwickelt waren.
Wir danken Forensic Architecture für die großartige Zusammenarbeit und dem Kunstverein Frankfurt, dass er dieses Ausstellungsprojekt unterstützt und die Räume zur Verfügung stellt.
Die Ausstellung „Three Doors“ ist ein Kooperationsprojekt von Forensic Architecture/Forensis, Kunstverein Frankfurt, Initiative im Gedenken an Oury Jalloh und Initiative 19. Februar Hanau. Sie läuft vom 2. Juni bis zum 11. September 2022.
Link zur Video-Rekonstruktion von Forensic Architecture zum Täterhaus:
https://forensic-architecture.org/investigation/racist-terror-attack-in-hanau-the-police-operation
Ausstellung „Three Doors” von Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh und Kunstverein Frankfurt (in den Räumen des Frankfurter Kunstvereins am Römer)
Seit Monaten haben wir gemeinsam mit Forensic Architecture/Forensis an einer Untersuchung zu einigen der vielen offenen Fragen gearbeitet. Zum verschlossenen Notausgang der Arena Bar in Hanau-Kesselstadt, einem der Anschlagsorte und zu den Ereignissen um das Haus des Täters und dessen polizeilichen Überwachung in der Tatnacht, hat Forensic Architecture/Forensis auf Grundlage der Ermittlungen von Familienangehörigen und Überlebenden eine Rekonstruktion erstellt. Zudem ist zu den Ereignissen und zum Umgang mit den Angehörigen in der Tatnacht und danach und zu den ersten zwei Jahre der Kämpfe um Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen eine umfangreiche Dokumentation entstanden.
Ab dem 2.Juni 2022 werden im Kunstverein Frankfurt (am Römer) in der Ausstellung “Three Doors” unter anderem präsentiert:
- Ergebnisse der beiden Untersuchungen zum Notausgang und zum Täterhaus von Forensic Architecture/Forensis.
- Videos mit Aussagen, Anklagen und Fragen, die Angehörige und Überlebende unter anderem im Hessischen Untersuchungsausschuss gestellt haben.
- Ein Podcast zu den vielen offenen Fragen.
- Eine Dokumentation zum nicht-funktionierenden Notruf.
- Eine Übersicht zu den Ereignissen in der Tatnacht und der ersten zwei Jahre der Kämpfe um Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.
Die Ausstellung bietet die Gelegenheit, sich mit der Kette des Versagens ausführlich zu beschäftigen. Sie ist ein Zwischenergebnis der gemeinsamen Untersuchung.
Die Ausstellung ist ein wichtiger Ort des Lernens und der Auseinandersetzung. Sie ist ein Auftrag an alle (Universitäten, Schulen, Institutionen und an die Politik), sich für Aufklärung und Konsequenzen stark zu machen.
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Am Donnerstag, 2. Juni 2022 um 19.00 Uhr wird die Ausstellung Three Doors von Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau und Initiative in Gedenken an Oury Jalloh im Kunstverein Frankfurt (am Römer) eröffnet.
In Erinnerung an die neun Opfer des rassistischen Terroranschlags vom 19. Februar 2020,
Ferhat Unvar
Hamza Kurtović
Said Nesar Hashemi
Vili-Viorel Păun
Mercedes Kierpacz
Kaloyan Velkov
Fatih Saraçoğlu
Sedat Gürbüz
Gökhan Gültekin
in Erinnerung an
Oury Jalloh
und in Erinnerung an alle Opfer rassistischer Gewalt.
Bei der Ausstellungseröffnung sprechen:
Tahera Ameer
Programm Vorstand Amadeu Antonio Stiftung
Initiative 19. Februar Hanau
Mouctar Bah
Gründer Initiative in Gedenken an Oury Jalloh
Dr. Julia Cloot
Stellvertretende Geschäftsführerin Kulturfonds Frankfurt RheinMain
Prof. Franziska Nori
Direktorin Frankfurter Kunstverein
Die Grußworte werden im Außenbereich des Frankfurter Kunstvereins vor dem Eingang „Hinter dem Lämmchen“ stattfinden.
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Weitere Informationen zur Ausstellung:
Ausstellungszeitraum: 03.06.2022 — 11.09.2022
Die Ausstellung Three Doors – Forensic Architecture/Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh entsteht als Zusammenschluss unterschiedlicher Akteur*innen: das Künstler*innen Kollektiv Forensic Architecture und deren Schwesteragentur Forensis Berlin, die Initiative 19. Februar Hanau, die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, Journalisten und die Kulturinstitution Frankfurter Kunstverein. Sie arbeiten als Koalition zivilgesellschaftlicher Kräfte, aus Menschen und Expert*innen in den jeweiligen Bereichen, um systemischen Rassismus und Behördenversagen sichtbar zu machen.
In der Ausstellung Three Doors werden drei neue Arbeiten von Forensic Architecture/Forensis präsentiert, die rassistisch motivierte Vorfälle in Deutschland untersuchen. In jedem der drei Fälle wird eine Tür zu einem Sinnbild für die anhaltende und alarmierende Verwicklung staatlicher Behörden in rassistische Gewalt.
Die visuellen Untersuchungen zum rassistischen Terroranschlag vom 19. Februar 2020 in Hanau, die Forensic Architecture/Forensis in Zusammenarbeit mit der Initiative 19. Februar Hanau erstellt hat, bilden den Schwerpunkt der Schau und werden zur Geschichte zweier Türen: des verschlossenen Notausgangs der Arena Bar in Hanau-Kesselstadt, einem der Anschlagsorte, und der Eingangstür des Hauses des Täters, zu deren polizeilicher Überwachung in der Tatnacht viele kritische Fragen offen sind. In der Nacht starben Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili-Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu.
Eine weitere Untersuchung befasst sich mit einer dritten Tür in der Polizeizelle, in der Oury Jalloh, ein junger Asylsuchender aus Sierra Leone, 2005 in Dessau verbrannte. Die Fallstudie prüft die seit langem bestehende Annahme von Ourys Freunden und seiner Familie, dass sein Tod nicht selbstverschuldet war, sondern dass es sich um eine Tötung in Polizeigewahrsam handelt.
Jede Tür öffnet eine neue Perspektive auf strukturellen Rassismus in deutschen Behörden, einschließlich fehlender Konsequenzen für Polizeiverfehlungen, die die Ausübung rassistischer Gewalt ermöglicht haben, sowie Ermittlungen, die den Rechten der Opfer, Überlebenden und ihren Familien nicht gerecht wurden.
Diese Phänomene werden derzeit nicht nur durch die Geschehnisse in Hanau und Dessau, sondern auch durch die Halle-Anschläge, den Fall Walter Lübcke und den sogenannten NSU 2.0 sichtbar und sind ein bundesweites Problem.
Vier weitere Arbeiten bieten Kontext zur laufenden Arbeit der „Gegenforensik“ von Forensic Architecture. Die ausgesuchten Untersuchungen erforschen rassistisch motivierte Fälle in Europa und in den USA. Sie ermitteln und werfen kritische Fragen zu nationalem und internationalem systemischem Rassismus sowie Menschenrechtsverletzungen auf.
In einem eigens der Initiative 19. Februar Hanau gewidmeten Raum dokumentieren zehn neu produzierte Videos die Aussagen der Angehörigen und Überlebenden vor dem Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtages. Die Familien, Überlebenden und Unterstützer*innen sehen diese Dokumentation als einen weiteren Beitrag für ihren Kampf um Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen.
Auf Einladung des Frankfurter Kunstvereins wurden die Journalisten Dietrich Brants und Jan Tussing vom SWR2 eingeladen, eine mehrteilige Dokuserie zu produzieren. Die Lücke von Hanau arbeitet mit Dokumenten in Text und Ton, die öffentlich zugänglich, also bereits veröffentlicht und für alle frei verfügbar sind, von Medienberichten bis hin zu Pressemitteilungen einer Staatsanwaltschaft. Die Doku-Serie nutzt Ermittlungsergebnisse, die Medien wiedergeben dürfen, Aussagen von Überlebenden und Angehörigen, Nachbarn, Verwandten, Jugendfreund*innen, Kolleg*innen des Täters und von Polizeibeamt*innen und Behördenvertreter*innen, die von Relevanz sind, um Die Lücke von Hanau zu beschreiben.
Der Frankfurter Kunstverein steht für eine erweiterte Rolle von Kunst und von Kulturinstitutionen, welche die rein metaphorische und symbolische Ebene verlassen, um im realen demokratischen Prozess zu agieren, demokratische Strukturen zu verteidigen und die Werte unserer Zivilgesellschaft zu stärken.
Forensic Architecture ist eine 2011 gegründete Rechercheagentur, die dank digitaler und investigativer Methodiken und Technologien Spuren der Gewalt durch Unternehmen und staatlicher Gewalt untersucht. Forensic Architecture arbeitet ausschließlich für zivile Opfer, NGOs und unabhängige Vereine. Die künstlerische Arbeit des Kollektivs setzt wissenschaftliche, technologische und juristische Forschungsweisen und Techniken ein. Forensis ist die in Berlin ansässige Schwesterorganisation von Forensic Architecture, die gegründet wurde, um deren Methoden in einen deutschen Kontext zu übertragen.
Flankierend zur Ausstellung findet im Frankfurter Kunstverein das öffentliche Forum kollektiver Wahrheitsfindung statt. Teilnehmen werden Vertreter*innen betroffener Familien und Opfer des Attentats in Hanau sowie die Initiative In Gedenken an Oury Jalloh und die Initiative 19. Februar Hanau, Vertreter*innen des Künstler*innenkollektivs Forensic Architecture/Forensis, Expert*innen für Rechtsextremismus und Anti-Rassismus sowie Jurist*innen und Journalist*innen.
Diese Ausstellung entsteht als Zusammenarbeit zwischen dem Frankfurter Kunstverein und dem Londoner Forscher- und Künstler*innenkollektiv Forensic Architecture, seiner Berliner Schwesteragentur Forensis, der Initiative 19. Februar Hanau und Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Die Untersuchungen sind vom Frankfurter Kunstverein koproduziert mit Unterstützung durch das Haus der Kulturen der Welt (HKW).
Stellungnahme von Prof. Dr. Thomas Feltes im Untersuchungsausschuss zu Hanau
Am 19. Februar wird um 11 Uhr am Hanauer Friedhof beim offiziellen Gedenken an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin erinnert.
Die Zahl der Anwesenden wird auf einen kleinen Kreis beschränkt sein. Wir werden am Samstag nicht mit allen, die wollen, gemeinsam auf dem Hanauer Friedhof sein können. Viele, die sonst an jedem 19. an unserer Seite sind, bleiben durch die Auflagen des Landes Hessen ausgeschlossen. Uns erreichen seit der kurzfristigen Bekanntgabe der Auflagen zahlreiche Nachfragen. Darauf zu reagieren fällt schwer und schmerzt. Wer eingeladen wird und wer nicht, das haben wir, die Familienangehörigen, nicht entscheiden können.
Die Veranstaltung auf dem Hanauer Friedhof wird im Hessen Fernsehen live übertragen.
In unseren Gedanken werden wir in diesem Moment bei unseren ermordeten Liebsten sein, die wir so sehr vermissen. Ihr alle, die vielen Freundinnen und Freunde, die den Verlust zusammen mit uns betrauern, werdet in Gedanken bei uns sein.
Wir hätten uns das anders gewünscht und wir werden trotzdem mit Euch zusammen kommen. Mit unseren Wortbeiträgen werden unsere Stimmen an den vielen Orten zu hören sein, an denen Gedenken stattfindet. Auf den Friedhöfen in Offenbach und Dietzenbach werden wir gemeinsam gedenken. Am Nachmittag ab 16 Uhr organisiert das Hanauer Jugendbündnis eine Demonstration, die am Marktplatz beginnt. Vor allem abends von 21:30 bis 22:30 Uhr an den beiden Tatorten am Heumarkt und am Kurt-Schumacher-Platz werden wir zusammen sein.
Zwei Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen!
Say their names!
Am 19. Februar ist der rassistische Anschlag in Hanau zwei Jahre her.
Für die lückenlose Aufklärung des rassistischen Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020 benötigen wir finanzielle Hilfe. Denn nur so können wir den Angehörigen eine bestmögliche juristische und forensische Unterstützung zu kommen lassen.
Bitte helft mit, folgenden Spendenlink zu verbreiten: https://www.betterplace.org/de/projects/103688-lueckenlose-aufklaerung-fuer-hanau
Statement der Initiative 19. Februar Hanau zur Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes, die Ermittlungen wegen des Anschlages in Hanau einzustellen.
Zur Rolle des Vaters des Täters in der Tatnacht muss weiter ermittelt werden +++ Das Versagen der Polizei und der Behörden liegt in erster Linie in der Verantwortung der hessischen Landesregierung +++ Nichterreichbarkeit des Notrufs und verschlossener Notausgang am morgigen Freitag und Montag im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses
(1) Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) war ausschließlich mit den Ermittlungen gegen mögliche Mittäter, Mitwisser oder Beihelfer des rassistischen Mörders von Hanau befasst. Wir sehen nicht, dass die Rolle des Vaters des Täters in der Tatnacht ausermittelt ist. Vielmehr haben sich im Zusammenhang mit dem Prozess im Oktober 2021 wegen Beleidigungen des Vaters neue Hinweise darauf ergeben, wie offensiv der Vater das rassistische Weltbild seines Sohnes teilt.
(2) Alle unsere Vorhaltungen, Fragen und Kritiken am polizeilichen und behördlichen Versagen vor, in und nach der Tatnacht waren kein Teil der GBA-Ermittlungen. Insbesondere die Waffenerlaubnisse für den Täter, die Nichterreichbarkeit des polizeilichen Notrufs, der verschlossene Notausgang am zweiten Tatort und die verspätete Stürmung des Täterhauses inklusive der Fragen nach der Rolle rechtsextremistischer SEK-Polizisten in Hanau liegen in der Verantwortung der hessischen Landesregierung und müssen hier aufgeklärt werden.
(3) All diese genannten Versagensfragen stehen im Mittelpunkt des Untersuchungsausschusses im hessischen Landtag, der am morgigen Freitag, 17.12., sowie am Montag, 20.12.21, mit weiteren Zeug:innenaussagen der Angehörigen und Überlebenden fortgesetzt wird. Morgen werden u.a. das Organisationsversagen bezüglich des polizeilichen Notrufs und am Montag der verschlossene Notausgang im Mittelpunkt der öffentlichen Sitzungen stehen.
Initiative 19. Februar Hanau am 16. Dezember 2021
Ab 3. Dezember: Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag zu Hanau – Kommt zu den Mahnwachen und Kundgebungen in Wiesbaden!
Termine, Ort und Zeiten der ersten vier Mahnwachen in Wiesbaden:
Freitag, 03.12.21; Freitag, 17.12.21; Montag, 20.12.21; Freitag, 21.01.22.
Jeweils um 8.30 Uhr in der Grabenstrasse am Hessischen Landtag
Hessische Landesregierung missachtet die Hinterbliebenen und Überlebenden des Attentats vom 19. Februar durch organisierte Verantwortungslosigkeit.
„Das gebrochene Versprechen nach schneller und unbürokratischer Unterstützung führt zu existenzieller Not.“
Die Landesregierung in Hessen missachtet ihr Versprechen einer unbürokratischen Hilfe durch einen von den demokratischen Parteien im Landtag nach langem Zögern im Mai 2021 beschlossenen „Opferfonds“. Ein halbes Jahr nach dem Beschluss für einen Opferfonds auf Landesebene und 21 Monate nach dem rassistischen Attentat von Hanau stehen die Familien von Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu sowie die Überlebenden des 19. Februar damit vor existenziellen Notlagen. Nachdem im Januar 2021 der Grundsatzbeschluss für den Hessischen Opferfond gefasst worden war, versicherten Vertreter*innen der Regierungsfraktionen im Mai und Juli, dass „schnell und ohne große Bürokratie“ daraus an die Opferfamilien ausgezahlt werden solle. Doch bis heute haben die Familien der Opfer keine finanzielle Unterstützung aus Wiesbaden erhalten.
Alle Auskunftsersuchen der Initiative 19. Februar bei den verantwortlichen Politiker*innen, ob oder wann mit der hart erkämpften Unterstützungszahlung durch den Opferfonds zu rechnen ist, blieben bislang unbeantwortet. Ende September 2021 hat der Landtag zwar einen 11-köpfigen Beirat für den Opferfonds benannt, doch dieser hat offensichtlich seine Arbeit noch nicht aufgenommen. Mitglieder des Beirats erklärten, dass sie von der Hessischen Landesregierung über den Beginn ihrer Arbeit im Unklaren gelassen werden. Auch haben die Familien bislang keine Ansprechperson genannt bekommen. Parallel zu dieser Hinhaltetaktik müssen sich die Hinterbliebenen und Verletzten des Attentats den zermürbenden Befragungen des Landesversorgungsamtes zum Schweregrad der bleibenden Verletzungen durch das Attentat unterziehen.
Wie zermürbend die Auseinandersetzung mit dem Versorgungsamt ist, beschreibt Niculescu Păun Vater von Vili-Viorel Păun in einem Kommentar :“Ich führe so viele Kämpfe: ich muss für die Aufklärung kämpfen von Vili’s Tod. Für die Gesundheit meiner Frau. Und dann muss ich mich auch noch um so viel Bürokratie kümmern. Erst haben wir zumindest noch Krankengeld bekommen. Seit August kriegen meine Frau und ich auch kein Krankengeld mehr. Wir können beide nicht mehr arbeiten. Bis heute ist nicht klar, wer jetzt für uns zuständig ist. Seit August bekommt meine Frau, die Mutter von Vili, keinerlei Geld mehr.
„Immer wieder hat die hessische Landesregierung seit dem verheerenden rassistischen Attentat am 19. Februar 2020 demonstriert, dass sie keinerlei Verantwortung übernehmen will. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit ist eine Missachtung der Hinterbliebenen und Überlebenden,“ kritisiert Newroz Duman von Initiative 19. Februar Hanau.
„Mit dieser Hinhaltetaktik ignoriert die Landesregierung aus CDU und Grünen auch die dringenden Empfehlungen Terrorismusopferbeauftragten der Bundesregierung für unbürokratische materielle Unterstützung durch die jeweiligen Bundesländer“, sagt Heike Kleffner vom VBRG e.V. . Dr. Edgar Franke hatte in seinem am 2. November 2021 vorgestellten Abschlussbericht den Zugang zu unbürokratischen Opferrenten und die Einrichtung von Opferfonds in den Ländern für dringend notwendig erklärt.
Die Initiative 19. Februar und der VBRG kritisierten bereits Anfang des Jahres die Weigerung des Landes Hessen einen eigenen Rechtsterrorismus-Opferfonds einzurichten, obwohl es in den vergangenen zwei Jahren in Hessen so viele Todesopfer rechtsterroristischer Gewalt gab wie in keinem anderen Bundesland.
Newroz Duman fasst zusammen: „Umso beschämender ist jetzt diese monatelange Verzögerung. Wir fordern die Verantwortlichen auf, ihre Versprechen endlich umzusetzen. Am 19. November werden 21 Monate seit der Tat vergangen sein, wahrlich lange genug, um die zugesagten finanziellen Überlebenshilfen endlich auszuzahlen.“
Es stellt sich auch die Frage, was mit den 2 Millionen Euro geschieht, die in den Haushalt des Jahres 2021 für den Opferfonds eingestellt wurden, sollte der Beirat bis zum Jahresende nicht arbeitsfähig und das Geld abrufbar sein.
Für weitere Informationen:
Newroz Duman, Initiative 19. Februar Hanau, presse@19feb-hanau.org
Heike Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG e.V., info@verband-brg.de, www.verband-brg.de