Liebe Freund:innen!
#saytheirnames – leuchtet in großen Buchstaben vom Vordach der Anlaufstelle Initiative 19. Februar Hanau.
Es ist und bleibt einer unserer wichtigsten Slogans nach dem rassistischen Terroranschlag am 19.02.2020 in Hanau – als Ausdruck davon, dass wir die Ermordeten nie vergessen werden. Die Perspektive der Opfer und Betroffenen gehört beim Gedenken und im Kampf gegen Rassismus in den Mittelpunkt. Und so überschreiben wir auch unseren Newsletter, den wir ab jetzt regelmäßig erstellen möchten.
Die Ausgabe Nr.1 erscheint zu einem besonderen Anlass. Vor fast einem Jahr eröffneten wir die Anlaufstelle in der Krämerstraße 24 offiziell. „140 qm gegen das Vergessen“ lautete das Motto, mit dem wir am 5. Mai 2020 den “Laden“ mit erstem Text, Fotos und Video-Clip auf der Webseite der Initiative 19. Februar vorgestellt und die gleichnamige Kampagne gestartet haben. Seitdem – mit Hygienekonzept und trotz und gegen alle Corona-Wellen – ist dieser soziale Raum jeden Tag geöffnet und er hat sich zu einem zentralen Treffpunkt und Ort der Selbstorganisierung der Hinterbliebenen, Überlebenden und deren Freund:innen sowie Unterstützer:innen entwickelt.
Der Newsletter soll alle Interessierten auf dem Laufenden halten über Neuigkeiten bezüglich „Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen“, unseren vier zentralen Forderungen.
Wir wollen wichtige Termine „rund um Hanau“ teilen, auf wichtige Artikel und Texte aufmerksam machen, schnell und einfach informieren und mobilisieren.
Wir wollen Euch einladen mitzuwirken im Kampf gegen Rassismus und für eine Gesellschaft der Vielen.
Bitte helft mit, den Newsletter zu verbreiten.
Schreibt uns auch gerne, wenn Ihr Informationen oder (Text)Hinweise habt, die Ihr in den nächsten Ausgaben veröffentlicht sehen wollt. Oder wenn Ihr sonstige Anregungen oder Vorschläge habt, die wir aufgreifen können.
Beste Grüße aus der LadenRedaktion
Den kompletten Newsletter findet ihr hier als PDF
Gedenktag und Entwicklungen der zentralen Mahnmale
Am 19. Tag des Monats gedenken wir den neun Seelen, die von uns gegangen sind. Es gibt zwei Mahnmale an den beiden Tatorten, wo jeden Monat Blumen und Kerzen niedergelegt werden. Das erste befindet sich am Heumarkt und das zweite befindet sich am Kurt-Schumacher-Platz. Dort findet sich auch ein Kreuz, welches Vili Viorel Păun gewidmet ist, da er versucht hat den Täter aufzuhalten. Dafür wurde ihm auch am 19.04.2021, vom Land Hessen, die Medaille für Zivilcourage verliehen. Das zweite Mahnmal befindet sich neben der Arena Bar. Der bisher größte Gedenkort war bis zum 19.03.2021 am Brüder-Grimm-Denkmal, auf dem Marktplatz. Die Bilder, Blumen und Kerzen mussten dort entfernt werden, da das Denkmal saniert wird. Die Stadt Hanau und die Familienangehörigen der Opfer befinden sich derzeit in einem gemeinsamen Prozess, um ein dauerhaftes Mahnmal auf einem der zentralen Plätze zu errichten. Ihr seid alle eingeladen, euch um Gedenkorte zu kümmern, sie zu pflegen und die Erinnerung sichtbar und dauerhaft zu erhalten.
Die Bildungsinitiative Ferhat Unvar
Mehr als ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag sitzen Trauer und Wut immer noch tief. Serpil Temiz Unvar zieht genau daraus ihre Kraft. Im Namen ihres ermordeten Sohnes hat sie die Bildungsinitiative Ferhat Unvar gegründet. Gemeinsam mit Freund:innen von Ferhat, Bildungsreferentinnen und jeder Menge Unterstützer:innen will sie gegen Rassismus vorgehen. Serpil und die Bildungsinitiative setzen dabei in den Schulen an, bieten Workshops von und für Jugendliche an.
Daneben soll die Bildungsinitiative aber auch Beratungsstelle für betroffene Jugendliche und deren Eltern werden. Um allen Personen eine Anlaufstelle zu bieten, sucht die Bildungsinitiative derzeit nach eigenen Räumen. Wer die Bildungsinitiative Ferhat Unvar unterstützen möchte, findet auf ihrer Website die Kontaktdaten, sowie alle nötigen Infos zu Spendenmöglichkeiten:
www.bildungsinitiative-ferhatunvar.de
Ein Rechtsterrorismus-Opferfonds in Hessen
Die Initiative 19. Februar, die Bildungsstätte Anne Frank und der VBRG fordern einen hessischen Opferfond, der für die Familien der Opfer und Überlebende rechts-terroristischer, rassistischer und antisemitischer Gewalt finanzielle Unterstützung bietet. Täglich sehen wir welche Folgen diese Gewalttat auf die unmittelbar davon Betroffenen auf psychischer, physischer und auch auf materieller Ebene hat. Bis auf eine einmalige Entschädigung durch den Bund haben die Familien und Überlebenden keine finanzielle Unterstützung erhalten. Vor allem das Land Hessen müsste hier Verantwortung übernehmen. Stattdessen verbreitet Hessens Innenminister Beuth Falschinformationen in den Medien, wenn er beschlossene Projektgelder als Hilfen für die Familien darstellt. Das Land Hessen hat entgegen dieser Falschmeldungen aus dem hessischen Innenministerium keinen Cent an die Familien ausgezahlt. Lediglich ein genereller Opferfond für „Opfer von Straftaten“, der bereits seit 2013 geplant war, wurde kürzlich beschlossen – ohne rechtsextreme und rassistische Gewalt zu erwähnen. Die oben genannten Organisationen und Initiativen haben bis heute durch eine Petition ca. 51.000 Unterschriften gesammelt und bitten um weitere Unterstützung dieser Petition durch euch.
Petition für einen hessischen Rechtsterrorismus Opferfonds:
Nichts wird vergeben und vergessen
Auch im 15. Monat nach der Tat kommt von Politik, Behörden und Polizei – Nichts! Niemand übernimmt Verantwortung für zumindest einzelne Teile und Fragen in der Kette des Versagens, die wir kurz vor dem ersten Jahrestag nochmals ausführlich dargestellt hatten.
Wenn nicht die Angehörigen und Überlebenden selbst ermittelt und in die Öffentlichkeit gegangen wären, würde bis heute kaum jemand etwas wissen zu den Fehlern und Unterlassungen im Vorfeld der Tat sowie über den rücksichtslosen Umgang mit den Betroffenen in der Tatnacht und danach.
Nur drei Beispiele: Niemand wüsste und niemand würde ermitteln zum verschlossenen Notausgang in der Arena-Bar – wenn nicht die Familien eine Anzeige gestellt hätten. Niemand würde wissen, dass der Notruf bei der Hanauer Polizei nicht funktioniert hat und deshalb Vili Viorel Păun nicht gewarnt und gerettet und eventuell sogar die Morde am zweiten Tatort hätten verhindert werden können – wenn es die Angehörigen nicht in die Medien gebracht hätten. Niemand hätte etwas über falsche oder gar gefälschte Obduktionseinwilligungen erfahren – wenn es die Hinterbliebenen nicht zum Thema gemacht hätten.
Die Betroffenen haben gemeinsam mit Anwält:innen und Unterstützer:innen mit endlosen Briefen und Einreichungen, mit Strafanzeigen und Pressemitteilungen, mit Interviews und auf Kundgebungen zur Sprache gebracht, was die Verantwortlichen einfach nur totschweigen und aussitzen wollten. Längst hätten sie jedenfalls zu einzelnen Aspekten Auskunft geben, hätten sich für offensichtliche Fehler entschuldigen können und zumindest ernsthafte Gespräche anbieten müssen. Stattdessen bleibt es bei Beileidsfloskeln und der Vorstellung, dass die Angehörigen und ihre Unterstützer:innen müde werden und erschöpft aufgeben.
Nein. Das wird nicht geschehen. Nichts wird vergeben und vergessen! Bis lückenlos aufgeklärt und Verantwortliche für ihre Fehler zur Rechenschaft gezogen wurden.
Video und Text zur Anklage ein Jahr nach dem rassistischen Terroranschlag:
https://19feb-hanau.org/2021/02/14/wir-klagen-an-ein-jahr-nach-dem-rassistischen-terroranschlag/
Rassisten entwaffnen – wir geben keine Ruhe!
Der Attentäter konnte nur deswegen in Hanau morden, weil er legal Waffen besitzen durfte. Umso unfassbarer, da er in der Vergangenheit mehrfach auffiel. Hier haben die zuständigen Behörden auf ganzer Linie versagt.
Wir wollen, dass sie für ihre Versäumnisse Verantwortung übernehmen und daraus Konsequenzen gezogen werden!
Niemand, der bereits wegen rassistischer oder rechter Äußerungen aufgefallen ist – und schon gar nicht, wer bekanntermaßen in Kontakt zu rechten Gruppierungen steht – darf eine Waffenbesitzkarte oder Waffenschein ausgestellt bekommen. Statt Rassisten zu entwaffnen, erfahren wir aber, dass mehr Rassisten seit dem Anschlag bewaffnet wurden!
Allen Personen, von denen dies bekannt wird, müssen diese SOFORT entzogen werden.
Fehlende Überprüfungen müssen umgehend nachgeholt werden.
Gemeinsam mit den Familien der Opfer fordern wir eine unabhängige Untersuchungskommission, um den Komplex des terroristischen Anschlags vom 19. Februar 2020 in Hanau unabhängig von der Landesregierung zu untersuchen. Die Kommission soll u.a. die Erteilung/Verlängerung der Waffenerlaubnis des Mörders, sowie die mangelhaften Abstimmungen zwischen den hessischen Behörden untersuchen. Auch die Polizeieinsätze in der Tatnacht und der Umgang mit Angehörigen und Überlebenden muss thematisiert werden.
Von den verantwortlichen Stellen in Hessen wird bislang jegliches Behördenversagen negiert, sowie entsprechende Aufklärung aktiv verhindert.
Wir geben keine Ruhe!
Termine
Samstag, 1. Mai: Kundgebung des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)
„Solidarität ist Zukunft“ – unter diesem Motto lädt der DGB am 1. Mai um 10.00 Uhr zur Kundgebung auf dem Hanauer Marktplatz ein. Im Programm steht auch ein Redebeitrag zum 19. Februar sowie das Lied von Aksu: „Wo wart ihr?“
https://suedosthessen.dgb.de/themen/++co++7ab45fe8-6b85-11eb-b206-001a4a160123
Samstag, 8. Mai: Demonstration in Kassel
Aus Hanau wollen wir mit möglichst vielen Menschen an der Demonstration in Kassel teilnehmen und wir werden dort auch Redebeiträge zu unseren Erfahrungen und Forderungen in Hanau halten. Wer mitkommen und sich an Fahrgemeinschaften beteiligen möchte, bitte im Laden in der Krämerstraße 24 melden.
Hier einige Sätze aus dem Aufruf aus Kassel:
„Erinnern, Widerstand, Konsequenzen – Solidarisch gegen rechte Gewalt in Kassel und überall…
Kassel ist zu einem Symbol von rechtem Terror und Rassismus geworden: der Mord an Halit Yozgat und Walter Lübcke, der versuchte Mord an Ahmed, der Angriff auf Effe und die kürzlichen Bombendrohungen des NSU 2.0 gegen die Walter Lübcke Schule. Die Anschläge und Terrorakte in Kassel reihen sich mit dem Anschlag in Halle und den Morden in Hanau in die jüngere Geschichte rechter Gewalt ein, die aus rassistischen, antisemitischen und antifeministischen Überzeugungen verübt wird.(…)
Wir wollen am Jahrestag der Befreiung vom Faschismus Kontinuitäten rechter Gewalt und Diskriminierung in Kassel – und darüber hinaus – benennen, den Widerstand dagegen sichtbar machen, antifaschistische Allianzen bilden und ein besseres Leben für alle einfordern!“
https://antifaschistischermaikassel.noblogs.org/
Mittwoch, 19. Mai: monatliche Gedenkaktion
Am 19.5. werden wir an den beiden Tatorten den Opfern des rassistischen Terroranschlages gedenken. Genauere Informationen und Zeiten werden noch bekannt gegeben bzw. können im Laden in der Krämerstraße 24 erfragt werden.
Samstag, 19. Juni: Stern für Hanau – Fahrradsternfahrt aus Rhein-Main-Kinzig nach Hanau
Aus dem Aufruf: „Arsch in den Sattel, Zähne zeigen! Öffentlichkeit schaffen und Solidarität im Kampf um Aufklärung zeigen – zunächst dezentral auf den unterschiedlichen Routen und dann alle gemeinsam in Hanau…
Alle Radler:innen, die sich beteiligen wollen, sind aufgefordert, auf ihren Strecken zum Gedenken T-Shirts mit den Gesichtern und Namen der in Hanau Ermordeten zu tragen. Oder dazu passende antirassistische Aufnäher, Aufkleber oder Fähnchen z.B. mit „#saytheirnames“ mitzuführen. … Für den Abschluss in Hanau werden wir ein den Corona-Bedingungen im Juni angepasstes Konzept entwickeln, im besten Fall mit einer großen gemeinsamen Abschluss-Kundgebung um 13 Uhr auf dem Hanauer Freiheitsplatz.“
Der gesamte Aufruf und weitere Informationen hier:
https://www.stern-fuer-hanau.de