Am 14. Juni haben wir vom Heumarkt bis zum Marktplatz eine Kette der Solidarität gebildet. Inspiriert von den Protesten in den USA und vielen Städten in Europa sind wir zusammengekommen mit der Initiative 19.Februar, Lampedusa in Hanau, Solidarität statt Spaltung und vielen anderen und haben am Ende eine Kundgebung der Gesellschaft der Vielen gemacht, mit Redebeiträgen gegen rassistische Polizeigewalt, zu den Toten bei Abschiebungen vom Frankfurter Flughafen, zum alltäglichen Sterben im Mittelmeer und Alltagsrassismus in Deutschland.
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Es ist insbesondere der Wunsch vieler Angehöriger, an jedem 19. eines Monats mit unterschiedlichen Gedenk- und Aktionsformen die Erinnerung an die Opfer des 19. Februar 2020 aufrecht zu erhalten, auf lückenlose Aufklärung zu drängen und die gesellschaftlichen Hintergründe des Terroranschlags zu thematisieren.
Die Initiative 19. Februar unterstützt diese Aktivitäten und bemüht sich, zu diesen Gedenk-Aktionstagen jeweils Betroffene von rassistischer Gewalt, die in anderen Städten aktiv sind, zu Veranstaltungen und zum Austausch nach Hanau in die neue Begegnungsstätte einzuladen. Damit wollen wir nicht zuletzt zur stärkeren bundesweiten Vernetzung von Betroffeneninitiativen beitragen.
Kurze Chronologie der bisherigen Gedenkaktionen.
Donnerstag, 19. März 2020
Für diesen Tag einen Monat nach dem rassistischen Terroranschlag hatte die Initiative 19. Februar gemeinsam mit einigen Angehörigen in Hanau-Kesselstadt zu einem Gedenken eingeladen. Zunächst wurde sich in der Nähe des zweiten Tatortes getroffen und eine kurze Ansprache u.a. mit folgenden Worten gehalten:
„Wir wollen, dass die Namen und die Geschichten, so wie sie waren, bei uns bleiben. Sie sind in unserer Erinnerung lebendig. Für uns alle, die wir weiterhin hier leben müssen, ist nichts, wie es vorher war. Sie fehlen uns. Umso mehr braucht es Kontakt mit Menschen, die diese Trauer teilen können. Wir wollen nicht zulassen, dass die Vereinzelung uns trennt. Keiner soll allein gelassen werden. Wir haben uns auf den Weg gemacht. Und wir werden – trotz und in dieser Krise – in enger Verbindung bleiben.“
Danach wurden am Tatort vor der Arena-Bar Blumen niedergelegt.
Kurzer Videobericht: Link.
Sonntag, 19. April 2020
Am 19. April am frühen Nachmittag hat das Institut für Toleranz und Zivilcourage Gedenkaktionen mit Angehörigen aller Opferfamilien an beiden Tatorten abgehalten. Dabei haben die Angehörigen Blumen niedergelegt und weiße Tauben in den Himmel steigen lassen.
Am späteren Nachmittag hat die Initiative 19. Februar zu einem weiteren Gedenken am Marktplatz am Brüder-Grimm-Denkmal eingeladen. Gemeinsam mit einigen Familienangehörigen wurden auch hier Blumen niedergelegt, während vom Baugerüst des Rathauses ein zehn Meter langes Transparent mit allen Vornamen der Opfer entrollt wurde. „Say their Names“ stand über den Namen und „Lückenlose Aufklärung Jetzt“ war als zentrale Forderung auf dem Banner formuliert.
Kurzer Videobericht: Link.
Dienstag, 19. Mai 2020
Am Nachmittag wurden zunächst Blumen an beiden Tatorten abgelegt und jeweils Fotos der Opfer aufgehängt. Danach wurde das Gleiche am Brüder-Grimm-Denkmal am Marktplatz getan, das – solange es noch keine offizielle Gedenkstätte in der Stadt Hanau gibt – als zentral gelegenes Mahnmal erhalten werden soll.
Anschließend hatte das Institut für Toleranz und Zivilcourage in Zusammenarbeit mit der Stadt Hanau zu einer interreligiösen Zusammenkunft mit gemeinsamem Fastenbrechen in den Congress-Park eingeladen.
Am Vortag, dem 18. Mai, fand in der Begegnungsstätte in der Krämerstrasse 24 ein Austauschtreffen mit Kutlu Yurtseven von der Initiative „Keupstrasse ist überall“ statt. Kutlu informierte zunächst über die Erfahrungen und Schwierigkeiten in Köln 2004 nach dem Nagelbombenanschlag, der erst sieben Jahre später als Terroraktion des NSU aufgeklärt wurde. Bis dahin wurden die Opfer von der Polizei immer wieder zu Tätern gemacht und alle Hinweise auf rechtsextreme Hintergründe ignoriert. Kutlu berichtete auch, wie sie sich in Köln zum NSU-Prozess in München und dann auch im Rahmen des „Tribunals NSU-Komplex auflösen“ gemeinsam organisiert haben. Und er brachte die Anregung mit, dass in Hanau ebenfalls ein Tribunal und eine große Demonstration stattfinden sollte, zu der sicherlich Viele aus ganz Deutschland zusammenkommen würden.
Wegen der Corona-Auflagen musste dieses Treffen auf einen kleineren Kreis beschränkt bleiben. Aber es war ein gelungener Auftakt der geplanten Veranstaltungsreihe der Initiative 19. Februar, mit der regelmäßig rund um den 19. jeden Monats Aktive aus Betroffenengruppen aus anderen Städten zum Erfahrungsaustausch nach Hanau eingeladen werden sollen.
Die Kampagne „19! – Gegen das Vergessen“ wird unterstützt von der
Pressemitteilung
Hanau, 13.05.2020
Delegation der Familienangehörigen der Opfer des rassistischen Terroranschlags von Hanau wird am morgigen Donnerstag, 14. Mai 2020, bei der Innenausschuss-Sitzung im Hessischen Landtag anwesend sein
Sehr geehrte Damen und Herren!
Anläßlich der Antworten von Landesregierung und Generalbundesanwalt auf einen dringlichen Berichtsantrag der LINKEN betreffend offener Fragen zum rassistischen Terroranschlag von Hanau in der morgigen Innenausschusssitzung des hessischen Landtages werden mehrere Familienangehörige und FreundInnen der Opfer des 19. Februar 2020 im Wiesbadener Landtag anwesend sein. Aus dem Landtag gibt es über den Landtagspräsidenten Boris Rhein die Zusage, die Sitzung über einen Livestream in einem Nachbarraum direkt verfolgen zu können.
Am 23.04.2020 wendeten sich zahlreiche Angehörige und Betroffene in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit ihren Rechtsbeiständen an die Öffentlichkeit und beklagten: „Die bisherige Politik der Intransparenz durch fehlende Informationen von Seiten der Polizei und des Generalbundesanwalts führen zu einer weiteren Belastung der Überlebenden und Angehörigen.“
Hessische Behörden sind ebenfalls in die Ermittlungen involviert und ein Teil der Polizeieinsätze in der Mordnacht wurden von der hessischen Polizei geleitet. Zudem gibt es die Zusage, dass bei der morgigen Sitzung auch ein Vertreter des Generalbundesanwalts kommen wird.
Die Angehörigen der Opfer und ihre UnterstützerInnen vom Institut für Toleranz und Zivilcourage – 19. Februar Hanau e.V. sowie von der Initiative 19. Februar Hanau werden gemeinsam mit einem Bus aus Hanau nach Wiesbaden reisen. Fast drei Monate nach dem Mordanschlag erwarten sie zumindest einen Zwischenbericht zu den unzähligen offenen Fragen zum Tatablauf und zum Tathintergrund sowie eine Bestätigung des Versprechens, dass lückenlos aufgeklärt wird. Nachdem über Medien aus verschiedenen Quellen ein rassistischer Hintergrund in Frage gestellt wurde, erhoffen sich die Angehörigen auch hierzu klärende Worte.
Angehörige der Opfer sowie VertreterInnen des Instituts für Toleranz und Zivilcourage und der Initiative 19. Februar werden nach der Sitzung für die Presse ansprechbar sein.
„Die meisten kannten Sedat nur in Verbindungen mit der Shisha-Bar Midnight und lernten ihn zunächst als Chef kennen. Er war jedoch mehr als nur der Besitzer einer Shisha-Bar, denn aus einem Chef wurde ein Freund und aus einem Freund ein großer Bruder, der immer für einen da war.
19.04.2020 – 2 Monate nach dem rassistischen Anschlag in Hanau.
Zusammenkommen und Gedenken auf dem Marktplatz Hanau.
Unsere Stellungnahme zu den Presseberichten über den BKA-Abschlussbericht.
Laut mehreren Medienberichten arbeitet das BKA derzeit an einem Abschlussbericht zu den Ermittlungen in Hanau und kommt darin zu dem vorläufigen Fazit, dass der Täter „kein Anhänger einer rechtsextremistischen Ideologie“ gewesen sei und keine „typische rechtsextreme Radikalisierung“ durchlaufen habe. Dazu erklärt die „Initiative 19. Februar Hanau“, die seit den Morden gemeinsam mit vielen anderen die Unterstützung für Angehörige der Opfer und Betroffene von Rassismus in Hanau organisiert:
Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Rassismus-Problem, ein Problem mit rechtem Terror. Dazu gehört auch, Nazis nicht zu erkennen und nicht als solche zu benennen. Es reicht ganz offensichtlich nicht einmal, 9 Menschen aus rassistischen Motiven zu töten, um vom BKA als „Rechtsextremist“ eingestuft zu werden. Das ist unglaublich – und war trotzdem absehbar.
Als Gegenargument gegen eine rechtsextreme Gesinnung zieht das BKA scheinbar die Neigung des Täters zu Verschwörungstheorien, seine psychische Auffälligkeit und die fehlende Anbindung an das klassische rechtsextreme Milieu heran. Aber die rechtsextreme Gesinnung des Täters von Hanau ist unzweifelhaft, sie ist in seiner Tat und seinem „Manifest“ dokumentiert. Das BKA scheint, wie auch andere Behörden, schlicht falsche Kategorien anzuwenden. Verschwörungstheorien, irrationaler Hass, Frauenfeindlichkeit und auch „psychische Auffäligkeit“ kennzeichnen das Milieu, in dem die AfD und andere neue Faschisten ihre Massenbasis haben. Es ist die gleiche Logik, die beim NSU dazu führte, von einem Trio zu sprechen.
Es ist kein Wunder, dass solche Taten nicht verhindert werden, wenn die zuständigen Behörden selbst jetzt nicht verstehen wollen, dass sie ihre Kriterien überprüfen und der Gegenwart anpassen müssen. Die organisierten Glatzköpfe mit Springerstiefeln sind die Faschisten von gestern. Man muss heute keinen Kontakt mehr zu ihnen haben, um rechtsextrem sein zu können. Und es ist kein Widerspruch, psychisch krank und trotzdem ein Nazi zu sein.
Nach den vielen warmen Worten von Politikern und dem großen Medienrummel nach dem Anschlag ist Hanau bei vielen schnell in Vergessenheit geraten. Jetzt, wo die Kameras weg sind, soll scheinbar wieder der ganz normale Umgang von Polizei, Ermittlungsbehörden und Verfassungsschutz stattfinden: Vertuschen und Verharmlosen. Wir bekommen vom BKA die ersten Häppchen für die Einzeltäter-These vorgelegt. Jetzt müssen wir alle wachsam sein und die offenkundig rassistische, rechtsextreme Tat weiter als das benennen, was sie war: Rechter Terror, der offensichtlich – wie auch beim NSU – zu den Akten gelegt werden soll.
Das werden wir nicht zulassen.
Initiative 19. Februar Hanau
Bei der offiziellen Trauerfeier übergab die Mutter von Ferhat Unvar der Bundeskanzlerin einen Brief. Serpil Temiz‘ Schreiben: