Drei Zeugen von Polizei und Staatsanwalt haben bei der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses bestätigt, dass es beim Hanauer Notruf über 18 Jahre lang ein strukturelles Problem der personellen Unterbesetzung und der technischen Unterausstattung gab. Die Verantwortlichen wussten davon und haben versucht, dieses Problem nach dem 19. Februar 2020 zu vertuschen. Ein solches Organisationsversagen muss nun endlich Konsequenzen haben.
Zur UNA-Sitzung am 4. Juli 2022 mit Schwerpunkt Notrufversagen:
Der stationsleitende Polizist aus Hanau hat im UNA am 4.7.2022 die Befürchtung bestätigt, dass nur einer der beiden verfügbaren Notrufe mit einer festen Stelle besetzt war. Er widerspricht damit direkt der Behauptung des hessischen Innenministers Peter Beuth vom 11.2.2021. Wegen personeller Unterbesetzung blieb es unsystematisch bis zufällig, ob jemand den zweiten Notruf „abarbeitet“ oder nicht. Und so war es auch am 19. Februar 2020. Nur für einen kurzen Anruf war der zweite Platz besetzt, dann wurde dort nicht mehr abgenommen.
Neben dieser Unterbesetzung wurde von allen drei Zeugen dieses Tages – neben dem Stationsleiter ein Staatsanwalt sowie ein Polizeitechniker – bestätigt, dass es über viele Jahre keinen Notruf-Überlauf in Hanau gab. Wie der Staatsanwalt aus seinen Akten zitierte, wurde aus Kosten-Nutzen-Abwägungen technische und personelle Abhilfe von den übergeordneten Stellen abgelehnt, obwohl – wie der Techniker mehrfach betonte – beim Notruf die Kosten keine Rolle spielen dürfen.
Der Staatsanwalt fasste zwar sehr deutlich zusammen, dass der Ablauf des Abends am 19.02.2020 gezeigt habe, dass die Notrufstruktur in Hanau völlig unzureichend war. Doch wegen mangelnder Kausalität zum Tod von Vili Viorel Păun hätte er die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dennoch ablehnen „müssen“.
Somit bleibt als Quintessenz dieser Zeugenbefragungen: mit der dauerhaften Unterbesetzung und der langfristigen technischen Unterausstattung wurde nahezu 20 Jahre lang mit der Bevölkerung der Stadt Hanau und ihres Altkreises auf Risiko gespielt. Bei jeder sogenannten Grosslage wäre das Notrufsystem sofort überfordert gewesen. Und am 19. Februar 2020 ist es dann passiert. Zumindest Vili Viorel Păun hätte überleben können, wenn es beim Notruf nicht dieses Organisationsversagen gegeben hätte. Das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Bei der nächsten Sitzung des UNA am 18.7.2022, zu der auch der damalige Leiter des verantwortlichen Polizeipräsidiums Südosthessen (und heutige hessische Polizeipräsident) Roland Ullmann geladen ist, wird sich zeigen, ob er sich zumindest zur politischen Verantwortung dieses offensichtlichen Organisationsversagens bekennt.