Pressemitteilung der Initiative 19. Februar Hanau am 3. Juni 2022
Gestern, am 2. Juni 2022, ist im Frankfurter Kunstverein die Ausstellung „Three Doors“ von der unabhängigen Ermittlungsagentur Forensic Architecture eröffnet worden. Zwei der „Drei Türen“ sind den Geschehnissen in Hanau am 19. und 20. Februar 2020 gewidmet. Einerseits dem verschlossenen Notausgang am zweiten Tatort. Zum zweiten der Eingangstür des Täterhauses, die nicht bzw. viel zu spät von der Polizei überwacht wurde.
In einer 30-minütigen Video-Rekonstruktion hat Forensic Architecture die Abläufe rund um das Täterhaus detailliert nachgezeichnet. Dieses Video beinhaltet nicht nur weitere Hinweise darauf, dass der Vater des Täters bezüglich seiner Rolle in der Tatnacht die Unwahrheit gesagt hat. Es zeigt zudem, dass die eingesetzten Polizeieinheiten – zunächst Zivilstreifen und danach das SEK – das vermutliche Täterhaus über mindestens zwei Stunden nicht überwacht und nicht umstellt und entsprechend erst später gestürmt hat. Der Täter hätte also problemlos aus dem Haus entfliehen und weiter morden können.
Wesentliches Element der neuen Untersuchung von Forenisc Architecture ist die Auswertung der Kamera-Aufnahmen eines Polizeihubschraubers. Dieser kreist bereits 30 Minuten nach den Morden für zwei Stunden über Hanau und dem Stadtteil Kesselstadt, ohne von den Polizeikräften am Boden über die Adresse des vermutlichen Täters informiert zu werden. Der Helikopter bleibt insofern im Blindflug, die beiden Piloten bringen per Funk ihre Frustration darüber zum Ausdruck und können ebenfalls nicht zur nötigen Überwachung des Täterhauses beitragen.
Sind all diese unglaublichen Vorgänge am Täterhaus „nur“ ein weiteres Element in der Kette des polizeiliches Versagens in der Tatnacht? Unweigerlich drängen sich neue Fragen auf, wenn mit einbezogen wird, dass sich in der Tatnacht 13 SEK-Polizisten in Hanau im Einsatz befanden, die in rechtsextremen Chat-Gruppen beteiligt waren.
Die Ausstellung, die für über drei Monate in Frankfurt zu sehen sein wird, präsentiert in einem Raum die gesamten, umfassenden Untersuchungen und Ermittlungen von Forensic Architecture zur Tatnacht von Hanau. In einem zweiten Raum lassen sich neue Audio-Reportagen eines Journalisten-Teams zu den „Lücken von Hanau“ nachhören. Und in einem dritten Raum wird entlang einer umfassenden Zeitleiste der zweijährige Kampf der Betroffenen und deren Unterstützer:innen für Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung und Konsequenzen nachgezeichnet. Hier sprechen die Angehörigen der Opfer und die Überlebenden in Videoaufzeichnungen nach, was sie bereits vor einigen Monaten im Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag vorgetragen haben.
Wir empfehlen allen an der Aufklärung von Hanau Interessierten dringend, diese Ausstellung zu besuchen und sich dafür Zeit zu nehmen. Denn neben der Etage zu „Hanau“ präsentiert Forensic Architecture als „dritte Tür“ erstmals eine Untersuchung zum Tod von Oury Jalloh 2005 im Polizeiarrest in Dessau sowie weitere ihrer Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen und Morden, in denen staatliche Stellen verwickelt waren.
Wir danken Forensic Architecture für die großartige Zusammenarbeit und dem Kunstverein Frankfurt, dass er dieses Ausstellungsprojekt unterstützt und die Räume zur Verfügung stellt.
Die Ausstellung „Three Doors“ ist ein Kooperationsprojekt von Forensic Architecture/Forensis, Kunstverein Frankfurt, Initiative im Gedenken an Oury Jalloh und Initiative 19. Februar Hanau. Sie läuft vom 2. Juni bis zum 11. September 2022.
Link zur Video-Rekonstruktion von Forensic Architecture zum Täterhaus:
https://forensic-architecture.org/investigation/racist-terror-attack-in-hanau-the-police-operation