Kommentar zum Prozess am 6.10.2021
Gestern wurde der Vater des Mörders vom 19. Februar 2020 wegen dreifacher Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Am schwersten ins Gewicht fielen dabei die rassistischen Beleidigungen gegen Teilnehmer:innen einer Kundgebung in Hanau-Kesselstadt Ende Dezember 2020, darunter mehrere Angehörige der Ermordeten. Es ist gut, dass der Vater des Attentäters wegen den rassistischen Beleidigungen vom Gericht verurteilt wurde. Wichtige Fragen bleiben aber weiter unbeantwortet.
1. Welche Rolle spielte der Vater des Attentäters in der Tatnacht?
Nach dem gestrigen Tag ist es wichtig, dass weiter ermittelt wird, welche Rolle der Vater des Attentäters in der Tatnacht spielte. Bereits wenige Stunden nach der Tat wurde er von den Ermittlungsbehörden aus dem Beschuldigtenstatus entlassen und zum Zeugen erklärt. Offensichtlich wurde er niemals ernsthaft mit all seinen Widersprüchen konfrontiert.
Im Februar 2021 hatten mehrere Rechtsanwält:innen der Angehörigen der Opfer des 19. Februar 2020 beim Generalbundesanwalt eine gemeinsame Strafanzeige gegen den Vater des Mörders erstattet, insbesondere wegen Beihilfe zum mehrfachen Mord.
Im gestrigen Urteilsspruch ist auch die rechtsextreme und rassistische Grundhaltung des Angeklagten zweifelsfrei festgestellt worden. Der Angeklagte bezog sich in seinen Ausführungen vor Gericht gleich zweimal auf die Rechtsanwälte Hock und Schmitt-Fricke des Rechtsterroristen Franco A., welche ihn mit ihren Ausführungen zu “politischen Windmaschinen” inspiriert haben. Schmitt-Fricke hatte gleich zu Auftakt der Verhandlungen gegen Franco A. im Mai 2021 ein Statement abgegeben: die geplanten Attentate Franco A.s seien „ein Fantasiegebilde des Generalbundesanwalts, der sich offenbar in seiner Rolle als williger Helfer der Merkel-Regierung und „politische Windmaschine“ gefalle”. Mehrfach betonte der Vater des Attentäters er habe Mitstreiter, die seine Gedanken teilen.
Der Täter von Hanau hatte seine drei ersten Morde mit einer Ceska begangen und sich damit sicherlich nicht zufällig in die Tradition des NSU stellen wollen. Zudem hatte er einen weißen Wolf mit blauen Augen auf seiner Webseite. Dass der Vater nun in Bezug auf Franco A. von Mitstreitern spricht, macht unsere Vermutung immer wahrscheinlicher: dass er, der Vater, in die Pläne des Sohnes eingeweiht und jedenfalls in der Tatnacht im Täterhaus direkt involviert war.
2. Welche Gefahr geht vom Vater des Attentäters aus?
Wir müssen uns weiterhin fragen: Wie viel Gefahr geht von dem Angeklagten aus? Der sachverständige Psychiater hat in der gestrigen Verhandlung von “Kampfparanoia” gesprochen und einer Verschlimmerung nach weiteren Misserfolgen, wie dem gestrigen Urteil. Diese Kampfparanoia finde ihr Ventil in einer Schreibwut. Aber wird es nur bei Schreiben bleiben?
Die Kundgebung am 29. Dezember, nach der es zu den rassistischen Beleidigungen kam, stand unter dem Motto: Wir wollen keinen weiteren rassistischen Anschlag. Vater und Sohn wurde bereits von einem früheren Gutachter eine „Folie a deux“ attestiert, also eine engste Verbindung in ihrem rassistischen Wahn. Der Prozessverlauf gestern, von der vom Vater inszenierten Vorführung bis zu seinem offensiv bedrohlichen und rassistischen Verhalten im Verfahren, zeigt einmal mehr, wie richtig wir mit unseren bereits damals gestellten Fragen zur Gefährlichkeit des Vaters lagen.
Denn während dem gestrigen Gerichtsverfahren hatte ein Sachverständiger sich ausführlich zur Schuldfähigkeit des Angeklagten geäußert. Er charakterisiert ihn als egozentrisch, selbstverliebt, unreflektiert und völlig unempathisch für die Bedürfnisse seiner Umgebung. Er attestiert eine wahnhafte Störung, die nicht behandelbar sei, jedoch sei der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Die Beleidigungen entspringen seinem rechtsextremen Weltbild, er sehe sich selbst als “Angehörigen der deutschen Gründerrasse”, dem sich alle anderen unterzuordnen hätten.
Nicht erst seit dem 19.2.2020 wissen wir, wozu solche Rassisten fähig sind.
Medienberichte zum Urteil gegen den Vater des Mörders wegen Beleidigung: